Heute geht es endlich los! Meine Soloradtour beginnt. Mit einem seltsamen Gefühl ziehe ich noch einmal durch jedes Zimmer meiner Wohnung. Ich kann mir noch so gar nicht vorstellen, nie wieder hierher zurück zu kommen, wenn ich einmal durch die Tür nach draußen getreten bin. Diese vier Wände sind fast acht Jahre lang mein Zuhause gewesen. Jede Ecke, jede Nische und jedes Möbelstück sind mir so vertraut wie mein eigenes Gesicht. All das aufzugeben und endlich rauszugehen kostet mich nun doch mehr Überwindung, als ich es erwartet hatte. Manchmal ist es eben schwer, ein Kapitel im Leben zu schließen.
Die Stadtluft schwirrt mir um die Nase, während ich mein Fahrrad mit viel zu schweren Packtaschen belade. Neben mir brettern LKWs und Autos über die 4-spurige Straße. Fußgänger beäugen mich verwirrt, starren mich beinahe im Vorbeigehen an. An solche Blicke muss ich mich wohl die nächste Zeit gewöhnen.
Das Rad ist startklar. Bin ich es auch?
Ich gebe mir keine Zeit, diesem Gedanken nachzuhängen. Zu riskant…Mit einer routinierten Bewegung schwinge ich mich auf meinen neuen Drahtesel. Als würde ich einfach nur einkaufen fahren, wie an einem ganz normalen Tag. Der Ledersattel muss erst noch eingefahren werden, er ist fürchterlich hart. Die Packtaschen verwandeln das Fahrrad durch ihr Gewicht und Volumen in ein gefühltes Schlachtschiff. Daran, und an das veränderte Gleichgewicht, muss ich mich noch gewöhnen. Der erste Eindruck ist aber positiv. Irgendwie fühle ich mich ’sicher‘ auf meinem Schlachtschiff.
Die erste Etappe meiner Soloradtour
Mein Weg führt mich heute nach Norden. Weil es mit einem vollbepackten Fahrrad wenig Freude macht, einmal quer durch Hamburg zu fahren, spare ich mir die zwei Stunden hektisches Radeln und überspringe die Großstadt mit der S-Bahn. Auch hier ziehe ich viele Blicke auf mich. Ich fühle mich schon ein bisschen wie eine Reisende, dabei bin ich noch kaum 3 km gefahren.
Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Bahn aussteige, fühle ich mich ein bisschen verloren und freudig aufgeregt zugleich. Das Unbekannte vor mir ist nun Realität geworden! Wieder schwinge ich mich auf mein Schlachtschiff und fahre einige Kilometer. Ganz am nördlichen Rand von Hamburgs Speckgürtel haben mich Freunde zum Kaffee und Grillen eingeladen. Sie möchten sich noch persönlich von mir verabschieden. Den Wunsch kann niemand abschlagen, schon gar nicht, wenn das Essen inbegriffen ist. Nach einem herzlichen Empfang gibt es köstlichen Käsekuchen auf der Terrasse. Die Gespräche sind wie immer lustig, interessant, anregend und einfach klasse. Der Nachmittag zieht sich in die Länge und es wird klar, dass ich hier versacken werde, als erst gegen 17 Uhr der Grill angemacht wird. Man will mich erst noch ein bisschen mästen. Dagegen wehre ich mich selbstverständlich nicht und genieße die liebe Gesellschaft bis in den späten Abend hinein.
Farewell, my friend!
Ein warmes, weiches Nachtlager und eine entspannte Nacht später, sitze ich mit meinen Gastgebern am Frühstückstisch bei frischen Brötchen und leckerem Kaffee. Leicht besorgt werde ich einige Zeit später beäugt, während ich meine Packtaschen wieder am Rad befestige.
„So viel hast du dabei? Das sieht aber schwer aus. Und wie machst du das mit deinen Akkus? Hast du Werkzeug dabei? Wie viel Wasser kannst du mitnehmen? Hast du wirklich alles mit? Brauchst du noch irgendetwas?“
Wenn es etwas gibt, was ich auf meiner Soloradtour mal brauchen könnte, dann ist es eine Gastfreundschaft, wie ich sie hier erlebt habe. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön!
Mit einem Mal rollen mein Schlachtschiff und ich wieder die Straße herunter. Die Freunde winken, ich auch. Dann kommt eine Kurve und niemand winkt mehr.
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